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Ausgebremst in der Krise? Das gilt nicht für Maria Furtwängler!

Die Schauspielerin und „Tatort“-Kommissarin hob zu Beginn der Pandemie im Frühling 2020 die TNT-Comedy-Serie „Ausgebremst“ aus der Taufe. Ein Projekt zugunsten der „Künstlernothilfe“ mit dem Ziel, stark betroffene Kunst- und Kulturschaffende zu unterstützen. Nach dem großen Erfolg der ersten Staffel geht diese „Short-Form-Dramedy“ jetzt in die zweite Runde. Maria Furtwängler ist als Produzentin gemeinsam mit Headautorin Annette Hess (Ku’Damm-Reihe) erneut für das Konzept verantwortlich und übernimmt auch wieder die Hauptrolle. Sie spielt die problembeladene und durchgedrehte Beate Harzer, die sich in der Krise als Life-Coach versucht und ihren ebenfalls krisengeplagten Mitmenschen helfen will.

Ausgebremst mit Maria Furtwängler
Alle sechs Folgen von ‚Ausgebremst‘ werden erstmals am 20. März 2021 ab 18:30 Uhr am Stück auf TNT Comedy ausgestrahlt und dann am im Mai bei der ARD, (abrufbar dann auch in der ARD Mediathek). Maria Furtwängler mit Ursula Karven. Fotocredit: Christina Keppeler (Turner)

Sechs neue Folgen wurden in Kooperation mit dem NDR produziert, und alle sechs Viertelstünder spiegeln die aktuellen Probleme dieser Zeit wider. Beate Harzer ist pleite und erfährt just an ihrem 50. Geburtstag, dass sie wegen Mietschulden bis zum gleichen Abend aus ihrer Fahrschule ausziehen muss. In dieser betreibt sie seit neun Monaten eine Online-Lebensberatung für Menschen in Not. Ihr Ratgeber „Vollgas ins Glück“, den sie im Lockdown geschrieben hat, interessiert niemanden, vor allem keinen Verleger. Nicht einmal ihre Schwester (Monika Gruber) kann ihr helfen, denn diese steht auf ihrem Bauernhof ebenfalls vorm Bankrott. Trotz Geldsorgen tut Beate alles, um ihren Schützlingen via Online-Beratung aus der Patsche zu helfen. Und diese kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft. So gibt es einen durch die Krise arbeitslosen Callboy, gespielt von Axel Milberg, einen schmierig anmutenden Lebenscoach (Jan Josef Liefers), oder aber eine Schuldirektorin (Rosalie Thomass), die der Krise geschuldet plötzlich zu Hause mit Ehemann und Kindern sitzt ist und ebenfalls am Rad dreht.

Im Interview spricht Maria Furtwängler über das Projekt und das Arbeiten in Zeiten von Corona, über Hummeln im Hintern, Zoom-Calls und neue Lockdown-Beschäftigungen und verrät, wie sich ihr Leben durch die Krise verändert hat.

Frau Furtwängler, „Ausgebremst“ geht in die zweite Runde. Wie kamen Sie auf die Idee des Formats?

Maria Furtwängler: „In diesem ersten Lockdown, letzten März, kamen wir alle in eine totale Starre. Und fragten uns: Was bedeutet das? Es ging erst einmal gar nichts. Die Frage, die uns beschäftigte, war: Was machen wir mit unseren Hummeln im Hintern und gleichzeitig mit unserem kreativen Potential? Und wie können wir auf die schlimme Situation der Kulturschaffenden hinweisen? Für unsere Idee, die Geschichte einer Online-Lebensberaterin zu erzählen, konnten wir TNT gewinnen. Annette Hess, die eine wirklich großartige Autorin ist, meinte, einen reinen Life-Coach fände sie langweilig. Sie kam auf die Idee einer Fahrlehrerin, die versucht sich das Leben zu nehmen weil sie gerade ihren Führerschein und ihren Mann verloren hat und durch einen dummen Zufall plötzlich als Beraterin in einer Lebenshilfe-Hotline landet.

So entstand diese sehr besondere Figur, die in der ersten Staffel schon ein bisschen verrückt war und die diesen Wahnsinn in der zweiten Staffel noch ein paar Ecken weiter dreht. Beate ist selbst ernannter Life-Coach. Auch Herr Lürssen, ebenfalls Coach, gespielt von Jan Josef Liefers, übernimmt einen wichtigen Part. Es geht also auch um das satirische Hochnehmen der Welt dieser Coaches, die gerade jetzt in der Krise zum Teil den Menschen das Geld aus der Tasche ziehen und ziemlichen Unsinn verzapfen. Beate liegt natürlich was den Unsinn verzapfen angeht ganz weit vorne… Was uns ebenfalls ein Anliegen war: Die Pandemie selbst erzählerisch zu thematisieren. Bei der ersten Staffel, ganz am Anfang der Krise, als Corona in aller Munde war, wollten wir dies gar nicht in den Mittelpunkt rücken bzw. gar nicht erst vorkommen lassen. Dieses Mal haben wir es genau andersherum gemacht.“

Warum wird die Pandemie dieses Mal thematisiert?

Maria Furtwängler: „Ich habe in der letzten Zeit viel gedreht. Ich wurde dauernd getestet und musste ständig Maske tragen, aber wehe eine Maske war im Hintergrund zu sehen, dann musste alles neu gedreht werden. Ich hatte dieses Mal aber das Gefühl, dass wir, wenn wir die Geschichte von „Ausgebremst“ weitererzählen, genau auf dieses Thema eingehen müssen. Da es die Menschen extrem betrifft und in hohem Maße berührt! Es gibt ja auch Leute, die von der Krise profitieren, der Maskenverkäufer zum Beispiel, oder eine Sozialphobikerin, gespielt von Carolin Kebekus, die froh ist nicht mehr unter Leute zu müssen, Es gibt so viele unterschiedliche Blickwinkel.

Axel Milbergs Figur ist beispielsweise die Überhöhung dessen, was die Krise für die Prostitution bedeutet, denn das geht ja auch nicht mehr wie früher. Dieses Thema haben wir konsequenterweise mit einem Mann besetzt, klar. Der Anspruch der zweiten Staffel ist es, die verschiedenen Auswirkungen auf die unterschiedlichen Personengruppen darzustellen. Auch die vierte Folge ist klasse: Rosalie Thomass verkörpert eine berufstätige Mutter mit einem sehr wichtigen Job: Schuldirektorin. Sie muss auf einmal Remote-Arbeit machen und die Schüler und ihre Kinder bei Laune halten. Ihren Mann nebenan hört man immer nur seltsame Geräusche machen. Sie tut zwar so, als wäre alles in Ordnung, ist aber in Wahrheit am Rande des Nervenzusammenbruchs. Sie verschwindet schließlich aus dem „on“ und man weiß nicht genau, was sie macht. Aber man hat kein gutes Gefühl, vor allem was den Ehemann angeht… Dies ist ein Hinweis auf diese Überforderung der Frauen in der Krise, die nun zu Hause mit den Kindern sitzen und alles wuppen müssen.“

Milberg, Liefers, Thomass, Gruber, … Sie haben das Who is Who der deutschen Schauspielbranche für „Ausgebremst“ gewonnen. Wie kam dieser Cast zustande?

Maria Furtwängler: „Mir ist auch auf einmal aufgefallen: Hoppla, jetzt sind wir ja vier Tatort-Kommissare. Das war mir anfangs gar nicht bewusst, denn Jasna Fritzi Bauer hatte ich damals noch nicht so klar als Tatort-Kommissarin abgespeichert. Es ist das Schöne, dass eine große Solidarität unter den Kollegen spürbar ist, die in dieser Form vorher nicht existiert hat. Im Gegensatz zu anderen Projekten, wo man 20 Leute anruft und einer zusagt, hat hier jeder bzw. jede, den oder die wir angesprochen haben, mitgemacht. Als Rosalie von der Rolle erfahren hat, meinte sie: ‚Ich habe zwar überhaupt keine Zeit, aber das muss ich spielen.‘

Sie selbst spielen die durchgedrehte Beate Harzer. Gibt es etwas, was Sie an ihr sympathisch finden?

Maria Furtwängler: „Diese Frau gibt einfach nicht auf! Bei ihr ist von Anfang an alles hoffnungslos: Sie hat eine Räumungsklage bis zum Abend am Hals, und woher soll sie in so kurzer Zeit so viel Geld herbekommen? Aber sie ist eine begnadete Verdrängungskünstlerin.  Wenn beispielsweise ihr Ex-Mann anruft und fragt, was mit dem Geld auf dem Sparkonto des gemeinsamen Sohnes passiert sei, ahnen wir natürlich sofort, dass sie das auch für einen dieser Coachings bei ihrem Guru ausgegeben hat, aber sie flötet unschuldig zurück ‚Keine Ahnung‘. Unter der Last all dieser Probleme würde ich nicht mal mehr „papp“ sagen können. Aber sie ist ein Stehaufmännchen. Und das ist bei all ihrem Irrsinn ein Stück weit beneidenswert.“

Das Ziel von „Ausgebremst“ ist es, stark betroffene Kunst- und Kulturschaffende zu unterstützen. Inwiefern finden diese durch das Projekt Hilfe?

Maria Furtwängler: „Die KunstNothilfe ist eine Organisation, die sehr unbürokratisch Kulturschaffenden in Notsituationen mit Geld unterstützt. Beispielsweise wurden bei der ersten Staffel alle Werbeeinnahmen und Einnahmen durch Lizenzverkauf an die ARD von TNT an diese Organisation gespendet. Viele Darsteller haben ihre Gagen gespendet. Uns ist es auch wichtig, noch mehr auf diese Einrichtung aufmerksam zu machen. Dieses Mal ist die ARD als Partner von Anfang an dabei, was uns sehr freut!“

Wie haben Sie das Drehen in diesen Zeiten empfunden?

Maria Furtwängler: „Wir haben das große Glück, derzeit weiterarbeiten zu können. Die ganze Film- und Fernsehbranche macht weiter. Ja, es ist mühsam und es ist zäh. Es geht viel Zeit drauf, und die Abdrücke der Maske müssen jedes Mal wieder übergeschminkt werden. Aber, hey: Wir können arbeiten! All diejenigen, die auf Live-Auftritte angewiesen sind, wären sehr dankbar, wenn sie das nur ansatzweise machen könnten. Insofern beschwere ich mich nicht. Es wäre jammern auf zu hohem Niveau.“

Hat sich die Schauspielerei an sich verändert?

Maria Furtwängler: „‘Ausgebremst‘ ist in seiner Art eine Antwort auf diese veränderten Bedingungen zu Beginn der Krise gewesen. Heute können wir wieder drehen und tun das auch. Es ist aber natürlich auch ein Anstoß, über neue Formate nachzudenken. Es entsteht eine gewisse Kreativität aus der Not, und beim ersten Mal haben wir aus der Not eine Tugend gemacht.“

Haben Sie einen Rat für die Kulturschaffenden, die derzeit arbeitslos sind?

Maria Furtwängler: „Das würde ich mir nicht anmaßen. Einem Kulturschaffenden wie einem Live-Musiker wäre es zynisch zu sagen, ‚dann geh doch kellnern‘. Wir haben in der Staffel zum Beispiel Maxi Schafroth, der den Gerichtsvollzieher spielt. Er ist eigentlich immer gut beschäftigt: Kabarett, Auftritte ohne Ende. Auch Carolin Kebekus lebt zum größten Teil von Live-Auftritten, von den großen Shows. Ihnen ist das alles wegfallen, da ist nichts mehr! Nicht zu vergessen der ganze Apparat dahinter: Lichttechniker, Musiker, und, und, und. Man kann sich gar nicht vorstellen, wen es alles trifft. Das ist wirklich bitter.“

Sie haben „Ausgebremst“ auch produziert. Was begeistert Sie mehr: das Schauspielern oder das „hinter der Kamera“?

Maria Furtwängler: „Das kann ich so nicht sagen, da ich beides sehr gerne tue. Und ich empfinde es als ein großes Glück, ein solches Format wie „Ausgebremst“ zu haben. Bei anderen Projekten ist man schon seit Jahren dran und kämpft immer wieder um die Bücher und überhaupt. Es ist meist ein langer und beschwerlicher Weg bis ein Projekt realisiert wird: Dass das Buch gut genug ist, der Sender, die Verleiher einverstanden sind. Deshalb ist es eine große Freude, sowohl als Produzentin als auch als Schauspielerin, ein solches schnelles Low-Budget-Improvisationsformat machen zu können. Es ist zwar herausfordernd zu produzieren, aber es ging ratzfatz. Wir haben das Ganze in sechs Tagen gedreht. Diese Improvisation liegt nicht jedem Schauspieler bzw. jeder Schauspielerin. Aber diejenigen, die mitgemacht haben, haben es mit großer Freude getan. Wir haben natürlich von den Autoren gewisse Vorgaben bekommen: Was ist der emotionale Bogen der Figur, worum geht es in dieser Folge? Aber vieles ist spontan entstanden und völlig unerwartet gewesen.  Ich habe mich sehr oft reich beschenkt gefühlt angesichts dessen, was den Kollegen alles eingefallen ist. Man muss sich bei einem solchen Format mehr vorbereiten als wenn man einen guten Text hat. Man denkt oft ja, Improvisation, da muss man gar nichts machen, aber genau das Gegenteil ist der Fall.“

Lockdown-Langweile ist für Sie derzeit also kein Thema?

Maria Furtwängler: „Nein, ich habe in meinem Leben eigentlich noch nie so viel gearbeitet wie im letzten Jahr. Das ist schon fast verrückt.“

Haben Sie auch neue Hobbies im Lockdown entdeckt?

Maria Furtwängler: „Zoom-Telefonie. Allerdings nicht in meiner Freizeit. Aber Zoom begleitet mich in der Tat von früh bis spät. Und neue Hobbies? Ja, doch. Ich habe mich immer schon sehr für die Themen Garten und Wachstum interessiert. Und jetzt bin ich noch tiefer in das Thema Insekten eingestiegen. Ich habe schon seit ein paar Jahren Bienen, und bin sehr daran interessiert, diese Thematik genau zu verstehen. Mich beschäftigt der Verlust an Biodiversität ungemein. Ich bin wie wir alle manchmal wie gelähmt bei der Betrachtung der dramatischen Auswirkungen des Klimawandels, dem Gefühl, dass ich zum Beispiel für den Eisbären in der Arktis, dem das Eis wegschmilzt, nicht wirklich etwas tun kann. Aber ich kann in meinem Garten für mehr Biodiversität sorgen, Lebensräume schaffen für eine Vielzahl bedrohter Kleinstlebewesen.“

Sind Zoom-Calls ein Ersatz für die direkte Kommunikation?

Maria Furtwängler: „Natürlich nicht. Aber es ist wahnsinnig hilfreich. Besser als nur zu telefonieren, denn immerhin sieht man sich dabei. Man kann mehrere Leute dazu schalten, die einem dann in Briefmarkengröße entgegen gucken, was natürlich nicht so lustig ist. Natürlich geht da eine Dimension verloren. Streits sind schwer via Zoom, denn man kann sich schlecht gegenseitig auffangen und auch nicht jemandem zur Seite nehmen und sagen: Hör mal… Aber es ist ein großer Gewinn, nicht andauernd irgendwo hinreisen zu müssen. Das ist ein Geschenk.“

Was fehlt Ihnen am meisten im Lockdown?

Maria Furtwängler: „Das Zusammensein mit Freundinnen, mit ihnen zu feiern. Diese Leichtigkeit.“

Was hoffen Sie für die Zukunft der Kunst- und Kulturschaffenden?

Maria Furtwängler: „Ich hoffe für alle diejenigen, die auf Live-Auftritte angewiesen sind – auch meine Mutter wartet schon seit einem halben Jahr darauf, dass sie ein Stück endlich spielen kann -, dass es bald wieder Theater gibt. Und Konzerte, so dass Musiker wieder auftreten können, Galerien wieder Bilder zeigen können … Das wünsche ich mir für uns alle. Für die Kultur, für uns Menschen und natürlich vor allem für die Künstler.“

Der Lockdown dauert an. Planen Sie schon eine dritte Staffel?

Maria Furtwängler: „Wir schauen uns das Ganze mal an. Ich glaube, dass alle sehr wohlwollend auf unser Projekt blicken. Mal sehen, ob uns noch einmal etwas wirklich Gutes einfällt, was die verrückte Beate Harzer als nächstes machen könnte. Vielleicht eine Urlaubsreise oder eine Autofahrt mit ihrer Schwester Monika Gruber.“

Mit der Sie in der Serie herrlich bayerisch sprechen…

Maria Furtwängler: „Ich bin Münchnerin, deshalb.“

Interview: Andrea Vodermayr

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